Wilhelm Liebel, Dresden, ca.1830

Buchsbaum oder Grenadill mit Silberringen

Stimmzug und Korkschraube

9 Silberklappen

430 - 440 Hz

Ein

wesentlicher

Aspekt der historischen

Aufführungspraxis ist die Suche

nach dem für die jeweilige Musik am

besten geeigneten Instrumentarium und nur

selten erfahren wir aus erster Hand, für welches

Instrument ein Musikstück ursprünglich geschrieben wurde.


So ist es ein Glücksfall, dass Anton Bernhard Fürstenau in seinem

1844 erschienenem Buch „Die Kunst des Flötenspiels“ nicht nur beschreibt,

wie eine Flöte beschaffen sein sollte, sondern auch gleich angibt, wer ein solches

Instrument seiner Meinung nach am besten zu bauen weiß: „Von allen mir bekannten Geböhren

darf ich das des Instrumentenmachers W.Liebel in Dresden als das beste bezeichnen, und mit Recht empfehlen, da es alles Gute in sich vereint. Es gibt alle Lagen der Töne mit Leichtigkeit an, hat eine zarte, schöne Höhe, angenehme, wohllautende Mitteltöne, kräftige, sonore Tiefe, eine herrliche Egalität (...) und möglichste Reinheit in allen Octaven und Tonarten.“


Tatsächlich lässt sich Fürstenaus Grifftabelle, die für einzelne Töne bis zu neun verschiedene Griffe angibt, auf einer Liebel-Flöte problemlos umsetzen. Diese Grifftabelle ermöglicht es, dem Instrument alle auf einer konischen Traversflöte möglichen Klangschattierungen zu entlocken - eine Vielfalt, an der es aus Fürstenaus Sicht der Böhmflöte ermangelt...


Zu dieser Klangvielfalt trägt auch der bei den meisten Liebel-Flöten verwendete H-Fuß bei. Er dient nicht in erster Linie der Erweiterung des Tonumfanges bis zum tiefen H, sondern stützt vor allem die hohe Lage der Flöte und verleiht dem Instrument so einen herrlichen, fokussierten Ton, der nie schrill und aufdringlich wirkt.


So bezaubernd der Klang der erhaltenen Originalinstrumente Wilhelm Liebels ist, so problematisch ist bisweilen deren Intonation. Die Probleme resultieren zu einem großen Teil aus der bei Holzblasinstrumenten unvermeidlichen Veränderung der Bohrung nach langem Gebrauch. Durch behutsame Bohrungskorrekturen lässt sich die Intonation einer Kopie deutlich verbessern, „perfekt“ wird sie allerdings niemals, möchte man nicht die hervorragenden Klangeigenschaften des Originals verlieren, denn jede Veränderung der Konzeption einer Flöte verändert natürlich auch deren Klang.


In diesem Dilemma entscheide ich mich in der Regel zu Gunsten der Klangqualitäten des Originals, denn ein in sich schlüssiges Instrument mit einem stabilen und inspirierenden Klang lässt sich meist auch sauberer intonieren, als eine vermeintlich besser abgestimmte Flöte mit einem langweiligen und instabilen Ton.


Grundlage meiner Kopien sind sechs Liebel-Originale aus unterschiedlichen Privatsammlungen, die in Klang, Konzeption, Mundlochform und Bohrungsverlauf deutliche Parallelen aufweisen und für deren Bau zum Teil wohl auch die selben Räumer verwendet worden sind.



aus:

„Die Kunst des Flötenspiels“  Op.138

Anton Bernhard Fürstenau (1844)


Fridtjof Aurin   Traversflöten   Düsseldorf

Foto: Ulrich Ehret